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Deutsche Einheit 1956

Auszug aus dem
Memorandum der Bundesregierung vom 2. September 1956 zur Frage der Wiederherstellung der Deutschen Einheit

(Übergeben am 7. September 1956 durch die Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in Moskau, Washington, Paris und London)

"14. Die Bundesregierung ist der Überzeugung, dass freie Wahlen in ganz Deutschland, wie sie auch immer ausfallen mögen, nur den Sinn haben dürfen, das deutsche Volk zu einen und nicht zu entzweien. Die Errichtung eines neuen Regierungssystems darf daher in keinem Teile Deutschlands zu einer politischen Verfolgung der Anhänger des alten Systems führen. Aus diesem Grunde sollte nach Auffassung der Bundesregierung dafür Sorge getragen werden, dass nach der Wiedervereinigung Deutschlands niemand wegen seiner politischen Gesinnung oder nur weil er in Behörden oder politischen Organisationen eines Teils Deutschlands tätig gewesen ist, verfolgt wird."

(Bulletin des Presse und Informationsamtes der Bundesregierung Nr. 169/ S. 1625 vom 1956-09-08, abgedruckt in "ISOR aktuell" 2003-04, S. 1)


Deutsche Einheit 1990

"Liebe Leute, es handelt sich um einen Beitritt der DDR zur Bundesrepublik, nicht um die umgekehrte Veranstaltung. Wir haben ein gutes Grundgesetz, das sich bewährt hat. Wir tun alles für euch. Ihr seid herzlich willkommen. Wir wollen nicht kaltschnäuzig über eure Wünsche und Interessen hinweg gehen. Aber hier findet nicht die Vereinigung zweier gleicher Staaten statt."

(Wolfgang Schäuble: Der Vertrag. Wie ich über die deutsche Einheit verhandelte, Deutsche Verlags-Anstalt München 1991, Seite 131. W. Schäuble war Verhandlungsführer der Bundesrepublik Deutschland zum Einigungsvertrag.)


Deutsche Einheit 2019

"Der West-Ost-Konflikt verwächst sich nicht, die Erfahrungen pflanzen sich fort, vergleichbar mit Kriegstraumata. Selbst Ende der 80er Jahre und später geborene Ostdeutsche, die »Wendekinder«, sind davon geprägt. Sie erleben die Kulturkonflikte, die Zurücksetzung und Ausgrenzung der Ostdeutschen in der Gegenwart ... Es (ist) der kulturkolonialen Dominanz der Westdeutschen anzurechnen, dass es überhaupt zu Verdrängungen Ostdeutscher in Ostdeutschland gekommen ist.
Der angebliche Elitenwechsel war keiner? Vielmehr gab es einen Elitentransfer. In der DDR sozialisierte Ostdeutsche kommen als Eliten praktisch nicht vor. Das heißt: Der Osten wird vom Westen verwaltet und beherrscht, während sich eine Mehrheit der in Ostdeutschland verbliebenen Bevölkerung mit einem krassen sozialen Wandel arrangieren musste und muss."

(Yana Milev: Der Osten wird vom Westen verwaltet und beherrscht, Junge Welt vom 2019-07-13, Beilage, Seite 1)

"Die Architekten der 'Wiedervereinigung' haben zu spät erkannt, dass ein Industriekombinat abgewickelt werden kann, nicht aber ein Volk."

(Rachel Knaebel and Pierre Rimbert: The economic Anschluss of the GDR, Le Monde diplomatique, English edition, November 2019)


Deutsche Einheit 2020 - Wende vs. Wiedervereinigung

"Während die Revolution dem Osten gehörte, gehört die Wiedervereinigung dem Westen. Ab jetzt wird wieder von oben gehandelt und verordnet. Der Beitritt der DDR ist ein Verwaltungsakt. Dafür steht symbolisch der 3. Oktober, der kein historisches, sondern ein geschäftsmäßiges Datum ist. Mit dem Beitritt war die Wende gewendet und ihr Ende besiegelt. (...) Die Kolonisierung des Ostens durch den Westen geschah nicht nur durch Akte wie die Einführung der D-Mark, die Privatisierung von Kollektivbesitz durch die Treuhand oder den Elitentransfer von West nach Ost. (...) Die Geschichte der Wende wurde in der Sprache der Sieger erzählt und verbreitet."

(Aleida Assmann: Die Wiedererfindung der Nation. Warum wir sie fürchten und warum wir sie brauchen, München 2020, S. 202, hier zitiert nach Stefan Bollinger: Was bleibt? Die DDR in der deutschen Geschichte - Leerstellen, Irrwege, Anregungen, junge Welt 2021-11-09, Seite 12)


Deutsche Einheit 2021 - Elend und Glück der Zeitenwende

"Das Land, aus dem wir kommen, war anders. Nüchtern, verlässlich. Was gesagt wurde, das wurde nach besten Möglichkeiten auch getan. Menschlichkeit war nichts, was täglich lauthals gepredigt werden musste, sondern etwas, was einfach da war, als Voraussetzung des Denkens und Handelns. Not wahrzunehmen war gleichbedeutend mit dem Auftrag, ihr abzuhelfen. Für das Getane wie für das Nichtgetane Rechenschaft abzulegen, war uns selbstverständlich, so wie es die Hilfe füreinander ebenfalls war, von der Jugend bis ins Alter. So ein Land zu lieben war leicht.
Dieses Deutschland, das über uns kam, ist ein täglicher Schmerz. Es ist aufgedonnert, aber hirnlos; herrschsüchtig, zickig, aber lieblos; großsprecherisch, aber bar jeder Verlässlichkeit; und wir klammern uns an die Hoffnung, dass unter der dicken Schminke, hinter der falschen Fassade doch noch irgendwo genug Nüchternes, Praktisches, Klares verborgen ist, unsere alte Liebe wieder zum Leben zu erwecken."

(Aus der Rede von Liane Kilinc, Vorsitzende der Friedensbrücke - Kriegsopferhilfe e.V., zur Alternativen Einheitsfeier des Ostdeutschen Kuratoriums von Verbänden OKV, veröffentlicht in ISOR aktuell Nr. 10/2021, Seite 1f)



Last modified: 2021-12-19 Nach oben